Pete Gavin

An Englishman in Berlin


Von Michael Seiz


Blues Respect“ heißt die aktuelle CD von Pete Gavin (vgl. Rezension in bluesnews 55) und im gleichnamigen Titelsong beschreibt er den Alltag eines Bluesmusikers, der eben auch frustrierende Momente enthält. Da ist die Rede von Gigs, zu denen kaum jemand erscheint, oder davon, wie man morgens um halb fünf nach Hause kommt und dann im Morgengrauen noch den Bandbus ausladen muss. Aber das ist eben nur eine Seite der Medaille. Sonst hätte sich Pete Gavin vermutlich kaum dazu entschlossen, seinen Brotjob als Physiker an den Nagel zu hängen und sich ganz der Musik zu widmen.


Zum Blues kam der am 12. April 1950 in London geborene Gavin durch das Studium der Linernotes zu den Schallplattenveröffentlichungen britischer Rockbands der Sechzigerjahre. Ob es nun die Rolling Stones, Free oder Cream waren, sie alle hatten ihre musikalischen Wurzeln im Blues, der in dieser Zeit verstärkt seinen Weg nach Europa fand. Auf die Schallplatten folgten erste Live-Konzerte. „Sonny Terry und Brownie McGee habe ich zum Beispiel während einer der American Folk Blues Festival-Tourneen Mitte der Sechziger in Hammersmith (einem Stadtteil von London) gesehen“, erinnert sich Pete Gavin.


Nach Klavierunterricht „auf die harte Tour, so mit Linealschlägen auf die Fingerknöchel, wenn ich falsche Töne angeschlagen habe“, und der Feststellung, dass das Cello nichts für Linkshänder war, fing Pete Gavin damit an, sich im Selbststudium das Gitarrespielen beizubringen. „Erst habe ich auf einem umgedrehten Rechtshändermodell gespielt, bei dem ich die Saiten einfach so belassen habe, wie sie aufgezogen waren. Das war für den Anfang okay, bis ich mich dann stärker dem Fingerpicking zugewendet habe. Da musste ich die Saiten dann doch so umspannen, wie sie auf einer richtig herum gespielten Rechtshändergitarre angeordnet sind, weil es sonst nicht richtig funktioniert hätte.“


Als Amateurmusiker trat Gavin in den Folkclubs der britischen Metropole auf, unter anderem auch im legendären „Marquee“ in Soho, einem Club, der so manchem Rockmusiker jener Tage als Karriere-Sprungbrett diente. Bei einigen dieser Gigs kam es auch zu Jams mit Musikern wie Spencer Davis oder Keith Relf von den Yardbirds. „Die Londoner Folkblues-Szene war in den späten Sechzigern sehr lebendig. Man denke etwa an Musiker wie Bert Jantsch, der für meine frühe musikalische Entwicklung sehr wichtig war. Und die Auftritte in den Clubs oder auch in Pubs boten eine hervorragende Gelegenheit, wichtige Erfahrungen für ein Leben als Live-Musiker zu machen.“ Ebenso wie Festivals, die damals deutlich anders abliefen als vergleichbare Events heutzutage. „Da bin ich dann mit meiner zwölfsaitigen Hagström aufgetaucht und habe gefragt, ob ich ein paar Songs spielen könnte. Und so bin dann in den Siebzigern zu Auftritten in Reading oder Glastonbury gekommen.“


Was folgte, war dann allerdings zunächst keine Musikerkarriere, sondern ein Job als Physiklehrer, der Gavin allerdings nicht auf Dauer begeistern konnte. „Also habe ich ihn irgendwann hingeschmissen, und da die Aussichten für Physiker außerhalb der Rüstungsindustrie damals ziemlich mau waren, habe ich mich dann wieder auf die Musik besonnen.“ Nach einer Zeit als Straßenmusiker, unter anderem in der Schweiz, in den Niederlanden und auch in Japan, hat sich Gavin dann schließlich in Berlin niedergelassen. „Deutschland hat mich immer schon interessiert, von wegen ‚Land der Dichter und Denker’ und so weiter,“ sagt er zur Erläuterung, „und so bin ich 1984 in Berlin gelandet, das Anfang der Achtzigerjahre ja ein ziemlicher kultureller ‚Melting-pot’ war.“


Inzwischen hat Pete Gavin mit Redox Records sein eigenes Label, auf dem seine letzten fünf CDs (von insgesamt zwölf) erschienen sind. Ansonsten tourt er solo, im Duo mit Pick Stevens oder mit seiner Band, der shAnghAi blues gAng, der neben Stevens noch Drummer Niklas Nesselhut angehört. „Die ungewöhnliche Schreibung des Bandnamens hat eigentlich nichts weiter zu bedeuten, aber sie fällt eben ins Auge. Und der Name selbst bezieht sich zum einen auf die Tatsache, dass unser Bassist Pick Stevens in Shanghai geboren wurde. Aber ‚shanghaien’ hieß ja zumindest umgangssprachlich auch einmal so viel wie entführen. Und wir wollen die Zuschauer eben in die Welt des Blues entführen.“ Bei Auftritten mit seiner Band konnte man Pete Gavin auch schon einmal mit einer orangefarbenen Irokesenperücke bewundern. „Wir spielen ja diesen Hound-Dog-Taylor-Klassiker ‚Give Me Back My Wig’ und dazu wollten wir eben ein bisschen Show machen. Allerdings ist mir die Perücke irgendwann geklaut worden.“


Für die Zukunft soll die shAnghAi blues gAng um einen weiteren Gitarristen bzw. vorzugsweise eine Gitarristin erweitert werden. Außerdem liegt Gavin die deutsche Slide-Guitar-Szene am Herzen. „Ich denke da an ein kleines Festival. Sollten irgendwelche Bürgermeister oder Kulturbeauftragte also Interesse daran haben, ein entsprechendes Konzept zu entwickeln, können sie sich gerne bei mir melden.“ Was ihm zudem wichtig ist, ist sein Songwriting. Zuletzt hat er einige Songs mit Themen aus der Physik eingespielt. Ob sie allerdings je das Licht der Öffentlichkeit erblicken werden, da ist sich Pete Gavin noch gar nicht so richtig sicher.

Quelle - bluesnews 56/2009.

Internet: www.petegavin.de